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Story Publication logo November 24, 2024

Auf der Spur des Goldes (German)

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How illegally mined gold ends up in the legitimate supply chain

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Bild von Gerno Odang/DIE ZEIT. Französisch-Guayana.

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Beim Goldabbau wird die Natur zerstört, Menschen sterben. Und trotzdem können wir nicht ausschließen, dass dieses Gold in unserem Ehering steckt. Warum eigentlich?


Der Wind der Rotoren peitscht den Schlamm auf, im Funkgerät knarzt es, sortez! Aussteigen! Raus aus dem Helikopter, ein Tritt auf die Kufen, dann knöcheltief in den Morast. Da warten bereits drei Soldaten der französischen Fremdenlegion und ein vierter Mann in Gendarmenuniform. Sie gestikulieren hektisch. Einer blickt sich nervös auf dieser Lichtung im Amazonaswald um, ein anderer schultert sein Sturmgewehr, eine Heckler und Koch HK416. Ringsherum stehen die Bäume dicht. Irgendwo dürften Beobachter sitzen, ganz sicher.

Amazonaswald, Französisch-Guayana

Es ist acht Uhr morgens, und Oberstleutnant Francis Bataillon, ein stämmiger Mann in durchnässter Kleidung, führt seine Leute über einen Trampelpfad. Er zieht ein GPS-Gerät aus der Hosentasche, beugt sich darüber und bringt die Männer auf Stand: Hier in der Nähe befinden sich rund 20 Goldgräbersiedlungen, entlang des Flusses sollen 200 garimpeiros, illegale Wäscher, tätig sein. Der Auftrag lautet, sie zu verjagen und ihre Siedlungen niederzubrennen. Motoren, Schläuche und Pumpen sind zu zerstören.


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Soldaten der französischen Fremdenlegion suchen im Amazonaswald nach illegalen Goldgräbern. Bild von Gerno Odang/DIE ZEIT. Französisch-Guayana.

29 Tage lang werden Bataillon und seine Leute in diesem Regenwald unterwegs sein, im Auftrag der französischen Regierung. "Harpyie" heißt ihre Operation, die schon seit 2008 hier im Regenwald von Französisch-Guyana läuft, einem Übersee-Département Frankreichs an der Nordküste Südamerikas. Das Land besteht zum Großteil aus einem riesigen Nationalpark, dem Parc Nationale de Guyane, so groß wie die Schweiz. Operationen wie "Harpyie" finden derzeit an vielen Orten im Amazonasgebiet statt, auch in Kolumbien und Brasilien streifen polizeiliche Zerstörungskommandos durch die Wälder. Oft ist das die einzige Möglichkeit, dem illegalen Goldabbau im Regenwald etwas entgegenzusetzen.

Wo die Goldgräber einfallen, lösen sie Katastrophen für Mensch und Natur aus: Sie fällen Bäume, wühlen Flüsse auf, bringen Schnaps und Waffen mit, tragen Gewalt und Krankheiten in den Regenwald. Das Quecksilber, das beim Goldwaschen genutzt wird, vergiftet das Hauptnahrungsmittel der traditionellen Völker: den Fisch. Studien in Französisch-Guyana zeigen, dass bis zu 97 Prozent der Menschen, die in Bergbaugebieten leben – Indigene und Maroons, also die Nachfahren entlaufener Plantagensklaven –, viel zu hohe Quecksilberwerte im Blut haben. Das gilt auch für die Goldarbeiter, sie vergiften sich schleichend selbst.

Doch der Kampf des Oberstleutnants und seiner Männer ist ungleich, denn ihr eigentlicher Gegner ist der Weltmarkt. Der Goldpreis hat zuletzt immer wieder Rekorde gebrochen: Über die vergangenen zehn Jahre hat er sich mehr als verdoppelt, der Preis für ein Gramm betrug Anfang der Woche mehr als 80 Euro, und die Nachfrage reißt bisher nicht ab. Gold gilt Investoren in reichen Ländern als bombensichere Wertanlage, als Schutz vor Inflation, Bankenkrisen und Kriegen. Der chinesische Staat kauft massenhaft Gold, weil er vom Dollar unabhängiger werden will. Russland und der Iran schützen sich mit Gold vor Sanktionen. In Indien wird bei Hochzeiten kiloweise Gold als Mitgift um die Braut gehängt, und dort steigen die Bevölkerungszahlen, die Zahl der Vermählungen und der Wohlstand.

Deshalb hat es sich noch nie so gelohnt, nach Gold zu schürfen. Ein Fünftel des weltweit geförderten Edelmetalls kommt aus "handwerklichem Kleinbergbau", 10 Millionen Menschen in 70 Ländern arbeiten darin. Der allergrößte Teil findet völlig unreguliert statt – auf so giftige, umweltzerstörende, gewalttätige Weise wie hier in Französisch-Guyana.


Karte: Wertsachen auf Weltreise


Psst!, Oberfeldwebel Maherilaza Rakotdadralambo deutet mit einer Kopfbewegung in Richtung einer Lichtung. Durchs Dickicht hindurch sieht man Holzbaracken. Er bedeutet dem Oberstleutnant, kurz in der Deckung zu warten, denn er, Maherilaza, ist hier für die kniffligen Situationen zuständig. Mit zwei weiteren Soldaten, einem jungen Moldawier und einem Slowaken, geht er voran. Maherilaza ist gebürtiger Madagasse, der Eintritt in die Fremdenlegion hat ihn zum Franzosen gemacht: jener ein Arm der französischen Armee, der seine eigenen Regeln hat und als besonders diszipliniert und zäh gilt. Hier im Regenwald sichern zwölf Fremdenlegionäre das Gelände, damit drei Gendarmen ihren Job machen können.


Der Oberfeldwebel Maherilaza Rakotdadralambo beobachtet, wie der Helikopter einen verletzten Kameraden abtransportiert. Bild von Gerno Odang/DIE ZEIT. Französisch-Guayana.

Der Moldawier pfeift aus der Ferne, Maherilaza pfeift zurück, es klingt wie ein Vogelzirpen. Dann geht es los, rasch muss es gehen, denn die aufgescheuchten Goldwäscher werden jetzt losrennen, ihr Material verstecken, Pumpmotoren in Wasserpfützen werfen, Generatoren die Hänge herabrutschen lassen. Alles besser, als wenn die Gendarmen es verbrennen. Maherilaza erspäht ein paar Männer, die in die Büsche flüchten, dünne, fast ausgezehrte Gestalten, in Gummistiefeln und Hoodies. Einer zieht einen schweren, schwarzen Müllsack hinter sich her, aber der Moldawier schneidet ihm den Weg ab. An einem Bach, der den Trampelpfad überflutet, steht er mit seinem Gewehr und befielt: Zurück ins Camp!

Minuten später sitzen alle Goldwäscher auf Baumstämmen und warten. Die Gendarmen nehmen die Personalien auf, so gut sie können. Keiner hat einen Ausweis. Einer, Edmilson, 51 Jahre alt, sagt, dass er schon seit 29 Jahren in diesen Wäldern arbeite. Er kann nicht Lesen und Schreiben, hat auch keinen Beruf erlernt. "Selbst, wenn sie mich einsperren", sagt Edmilson, "ich bleibe hier."

Bleibt er wohl auch. Die Gendarmerie kann nicht bei jedem Einsatz Hunderte Goldwäscher im Helikopter mitnehmen oder sie gar abschieben. Und selbst wenn einzelne festgenommen werden, werden sie zu Geldstrafen verurteilt und kehren kurze Zeit später wieder in die Camps zurück. "Dieselben Namen tauchen immer wieder auf", sagt Bataillon. Immerhin, sagt er, würden die Polizeiaktionen die illegale Produktion etwas bremsen. Um die 15.000 Euro kostet es, eine improvisierte Goldmine wieder neu auszustatten. Andererseits sind 15.000 Euro an ein paar Tagen Arbeit schnell verdient.


Einer der Goldwäscher bei der Polizeikontrolle im Amazonaswald. Bild von Gerno Odang/DIE ZEIT. Französisch-Guayana.

In Französisch-Guayana operieren, außerhalb des Naturparks, auch legale Goldschürfunternehmen. Damit sie ihre Genehmigungen erhalten, müssen sie eine Menge Sozial- und Umweltauflagen einhalten: keine Quecksilbernutzung, Wiederaufforstung nach dem Verlassen der Schürfstätte, Bezahlung nach französischem Recht und so weiter. Im Lauf der Zeit siedeln sich aber rings um diese rechtmäßigen Goldschürfer Hunderte Illegaler an, Glückssucher, die mit den rechtmäßigen Unternehmern dann in engem Austausch stehen. Sie kaufen bei den legalen Unternehmern zum Beispiel Benzin, Werkzeug und Ersatzteile ein. Sie bezahlen mit Gold, das sie gewaschen haben.

Auf diese Weise landet bereits ein wenig vom illegalen Gold im Bestand der rechtmäßigen Unternehmen. Es ist der erste, direkteste Weg der Vermischung, aber es gibt noch viele weitere solcher Wege. Die Gendarmerie schätzt, dass rund acht Tonnen illegales Gold pro Jahr in Französisch-Guyana produziert werden – und nur eine Tonne legales.

Eigentlich soll so etwas unmöglich sein. Auf der ganzen Welt sehen Gesetze, Vorschriften und Zertifikate der Goldindustrie vor, dass Gold aus dubiosen Quellen von niemandem gekauft werden soll. Das Edelmetall, das in den Fabrikhallen der Technologieunternehmen in Smartphones verarbeitet wird, sich in den Händen eines Juweliers zu Schmuck verwandelt oder als Schatz für schlechte Zeiten in einen Familiensafe gelegt wird, soll sauber sein. Die strengste dieser Vorschriften ist das EU-Sorgfaltspflichtengesetz für Rohstofflieferketten, das auch in Deutschland gilt.

Aber ist das realistisch? Von diesem Schürfercamp im Amazonas-Regenwald tritt das Gold eine lange Reise an, mit so vielen Zwischenschritten, dass man es immer wieder aus den Augen verliert. Und an jedem Glied der Lieferkette begegnet man Menschen, die versuchen, die Spuren des Goldes zu verwischen.

Eine Sache, berichtet der Oberstleutnant Bataillon, finde er bei seinen Einsätzen äußerst selten: Gold. Gold zu beschlagnahmen, es auch nur zu Gesicht zu bekommen, sei eine Rarität. "Gold findet immer einen Weg", sagt Bataillon und zuckt mit den Schultern. Es hat sich wohl schon, als von Weiten der Helikopter zu hören war, auf den Weg gemacht. Innerhalb weniger Tage wird es 300 Kilometer zurücklegen, quer durch den Regenwald. Es steckt in den Beuteln und Hosentaschen von Kurieren, Eselchen genannt, die fürs Materialschleppen zuständig sind und im Fall von Polizeieinsätzen für die Flucht mit dem Gold.

Der Amazonas ist durchzogen von Tausenden Kilometern ausgetretener Pfade, ein Netz aus Wegen, das sich Indigene, Drogenschmuggler, Wilderer und die Goldkuriere teilen. Sie führen bis zum Maroni, dem Grenzfluss nach Suriname. Die erste internationale Grenze, die das Gold überqueren muss. 

Am Ufer des Maroni-Flusses, Suriname

Am Westufer des Maroni hieven Männer in Gummistiefeln in Plastik gewickelte Pakete von den Docks in Boote. Gefrorene Hühnchen, Bohnen, Reis, Coca-Cola, Bier, Quecksilber, Ibuprofen. Hier wird die Versorgung der illegalen Goldgräbercamps organisiert, und es gibt alles zu kaufen, was man dort braucht. 120 Lagerhäuser stehen auf Stelzen am Ufer, betrieben von chinesischen Händlern, die seit Jahrzehnten den Handel in Suriname dominieren. Rund um einige Lagerhäuser sind kleine Siedlungen entstanden.

Die größte dieser Siedlungen heißt Antonio do Brinco – Antonio mit den Ohrringen –, benannt nach einem brasilianischen Goldwäscher, der hier 2001 die erste Hütte baute. Und hier, das heißt eigentlich im Nirgendwo: Diesen Ort im Dschungel kann man nur mit dem Boot oder per Propellermaschine erreichen. Es gibt keine Polizei, keine Gesetze. Bezahlt wird mit Gold. Jeder Händler hat eine kleine Waage, der Goldpreis steht auf einem Zettel an die Wand hinter dem Tresen gepinnt, und er wird jeden Tag an den London Fix, den Weltgoldpreis angepasst. Das Gold aus den Minen in Französisch-Guyana landet mit wenigen Ausnahmen hier, in einem dieser Lagerhäuser.
Die Chinesen sind auch die wichtigsten Financiers des illegalen Goldminenbetriebs in Französisch-Guyana. Wenn die Gendarmerie ihr Material verbrennt, wird es hier neu gekauft, bei Bedarf auf Pump. Die Chinesen haben kein Problem damit, Geld zu verleihen. "Die wissen doch, dass jedes Gramm Gold wieder zurück zu ihnen kommt", sagt ein Goldwäscher mit dem Spitznamen Cabelinho, der am Dock mit einer Dose Heineken sitzt. Er hat in Antonio do Brinco Halt gemacht hat, weil sein Kanu einen Motorschaden hat.


Die Goldwäscher ernähren sich von Reis, Bohnen, Hühnchen und, wie hier auf dem Bild zu sehen, von geröstetem Maniok-Mehl. Bild von Gerno Odang/DIE ZEIT. Französisch-Guayana.

Frühmorgens, wenn noch Nebel über dem Maroni liegt, steht dann ein junger Mann mit langen Dreadlocks vor seinem Kanu und nimmt Pakete entgegen. Sie nennen ihn Papa. Während brasilianische Bootskapitäne die Goldminen auf der anderen Uferseite versorgen, sind Maroons für den Weg in die andere Richtung verantwortlich: aus Antonio do Brinco in die Städte, näher an den Weltmarkt. Papa akzeptiert als Zahlungsmittel Euro oder Gold. Auf jedem der Pakete stehen drei Namen: Ein Absendername, meist ein Pseudonym, daneben steht "Papa" und der Name eines Empfängers in der Stadt, eines Kuriers oder eines Goldshops. Es sind Pakete voller Gold.

Dutzende solcher Kuriere warten entlang des Ufers auf Pakete. Um sieben Uhr rattern die Motoren los, 20 Minuten flussaufwärts, bis an eine Insel, Lawa Tabiki. Ein einziges Gebäude gibt es dort, und eine rund 200 Meter lange Landepiste im Gras. Papa steigt aus, begrüßt die Sicherheitsleute vor dem Gebäude, setzt sich auf eine Bank und wartet. Ein Propellerflugzeug landet, die Airline heißt Gum Air, Papa und die anderen Kuriere laden rund 100 Pakete ein. Rohgold für mehrere zehntausend, vielleicht hunderttausend Dollar fliegt heute mit. Sechsmal die Woche kommt so ein Flugzeug nach Lawa Tabiki. 

Paramaribo, Suriname

Eine Stunde später landet es auf einem Kleinflugplatz in Paramaribo, der Hauptstadt von Suriname. Er hat einen niederländischen Namen, Zorg en Hoop, Sorge und Hoffnung, Suriname war eine niederländische Kolonie. Auf dem Parkplatz vor dem Hangar warten Männer, die wegen der Pakete gekommen sind. Sie laden sie in ihre Autos und fahren davon.

Paramaribo ist eine bunte Stadt. Am Hafen verkaufen Maroons und Haitianer Krabben, im Zentrum betreiben Türken Casinos, Holländer die großen Hotels, Chinesen den Einzelhandel. Der Präsident ist südasiatischer Herkunft wie die Bevölkerungsmehrheit. Überall bereiten Warungs, indonesische Restaurants, Loempia und Nasi Goreng zu. Man fährt keine fünf Kilometer, da passiert man auf dem Weg schon 25 Geschäfte, die auf Schildern den An- und Verkauf von Gold anbieten. Doch der Kern des Geschäfts findet im Viertel der neuesten Einwanderer statt, der Brasilianer.

An einem Eckhaus mit getönten Scheiben, mit niedrigauflösenden Fotos von Goldbarren beklebt, öffnet ein bewaffneter Mann in Camouflagehose die Tür und führt in ein Hinterzimmer. Drinnen ist es laut: Ein Mitarbeiter des Goldshops steht vor einem Ofen, in dem ein Tiegel eingelassen ist, schmilzt einen Brocken Gold ein, brennt Reste von Quecksilber heraus. Eine Abgasanlage saugt die Luft über dem Ofen ein, was den Mann vor den giftigen Gasen schützt. Wer in Paramaribo Gold verkaufen will, braucht keinen Ausweis, keine Herkunftsnachweise. Das surinamische Gesetz verlangt das nicht. "Wir haben Kunden, die in Suriname arbeiten und Kunden, die in Französisch-Guyana arbeiten", sagt der Goldankäufer, dem der Shop gehört. "Wir kaufen Gold von hier und von dort."

Auf Post-its über den Arbeitsstationen notieren die Mitarbeiter ihre Tagesumsätze, 70 Gramm, 150 Gramm. An guten Tagen nimmt ein Mitarbeiter hier bis zu drei Kilo entgegen. Die Lieferanten sind die Kuriere vom Parkplatz am Flughafen.

Wenn die Ware geprüft, gewogen und bezahlt ist, kommt sie in eine große Schale. Dann wird das Gold zu Rohbarren zusammengeschmolzen, jeder von ihnen rund ein Kilo schwer. Täglich kommt der Transporteur, sammelt die Barren mehrerer Goldshops ein, um sie 50 Kilometer in Richtung Inland zu fahren. Zu einem Ort, an dem die Spur des illegalen Goldes ein weiteres Mal verwischt wird.

Neben den Cargo-Terminals des internationalen Flughafens Zanderij, in einem gesichtslosen Gebäudekomplex, empfängt Ryan Tjon. Er ist der Direktor des Kaloti Suriname Mint House (KSMH), der offizielle Assayeur des Landes – was heißt: das nationale Institut, in dem man das Gold auf einen homogenen Standard einschmilzt, seine Reinheit bestimmt und berechnet, wie viel Steuern die Goldhändler an den Staat zahlen müssen.

Für die Wirtschaft und die Staatsfinanzen in Suriname ist das Mint House eine entscheidende Einrichtung. Nach dem Wert gerechnet macht das Gold 80 Prozent der Landesexporte aus und es trägt ein Zehntel zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Funktion des Assayeurs wurde früher von der Zentralbank ausgeübt, wie das eigentlich üblich ist, aber in Suriname fehlte die notwendige technische Expertise. Irgendwann kam heraus, dass die Reinheit des Goldes jahrelang falsch berechnet wurde und dass dem Staat Steuereinnahmen in Millionenhöhe entgingen.


Ein illegaler Goldgräber zeigt der Polizei, dass dies Töpfe und Pfannen zum Kochen sind – und keine Utensilien zum Goldwaschen. Daraufhin entscheidet die Gendarmerie, das Material nicht zu verbrennen. Bild von Gerno Odang/DIE ZEIT. Französisch-Guayana.

Der damalige Präsident Desi Bouterse – ein Mann, der in den Niederlanden und Suriname als Mörder und Drogenhändler verurteilt wurde und seit 2020 auf der Flucht ist – suchte nach einer pragmatischen Lösung und fand sie 2015 im Emirat Dubai. Dort war binnen weniger Jahre eine Firma namens Kaloti Precious Metals zum größten Goldraffineur des Nahen Ostens aufgestiegen, je nach Berechnung sogar zum größten der Welt. Kaloti, ein Imperium in der Hand weniger Geschäftsleute, expandierte damals auf der ganzen Welt, eröffnete Raffinerien und Büros in Singapur, Hongkong, Miami. Paramaribo sollte der Brückenkopf in Südamerika werden.

So gab es am Ende einen Deal: Der surinamische Staat und Kaloti gründeten gemeinsam das Kaloti Suriname Mint House. 10 Prozent gehören dem Staat, 60 Prozent gehört Kaloti, das seine moderne Technik zur Verfügung stellt, 30 Prozent werden von einer Kapitalgesellschaft rings um einen surinamischen Juwelenhändler und seine Freunde gehalten. Harry Dorinnie, ein Direktor der Zentralbank, spricht hier ganz offen von einer "Gold-Mafia". Ein Dutzend Männer in Politik und Wirtschaft, die alles kontrollierten, vom Einkauf über die Verarbeitung und Prüfung bis zum Export.

Der Chef der Einrichtung, Ryan Tjon, will dazu nichts sagen, aber er führt in einer kurzen Tour die moderne Produktionsanlage vor. Er zeigt, wo das Gold eingeschmolzen, gereinigt und geprüft wird. Am Ende wird für jeden Barren ein Dokument ausgestellt, das einen Stempel des surinamischen Staates trägt. Er besagt: Das Gold stammt aus Suriname. Das ist viel wert im internationalen Goldgeschäft. Suriname wird nicht als "Hochrisikogebiet" eingeschätzt, so wie etwa die Demokratische Republik Kongo, wo Rebellengruppen sich durch den Goldhandel finanzieren, oder Venezuela, wo der Goldhandel teilweise von Drogenbanden abgewickelt wird.

Aber wo ist das illegale Gold aus dem Camp in Französisch-Guyana geblieben, in das der Oberstleutnant Bataillon mit seinen Männern eingefallen war? Es wird wohl über die Grenze geschmuggelt und bei Goldkäufern im brasilianischen Viertel mit anderem Gold vermischt worden sein, um im Mint House zu einem Barren verschmolzen zu werden. Von hier aus geht es nun weiter um die Welt.

Den Weitertransport übernimmt KLM. Die niederländische Airline ist auf Werttransporte gut eingerichtet, bietet spezielle Versicherungsprodukte und eine geeignete Infrastruktur dafür an. In Suriname fahren Angestellte des Mint House die Barren ins Cargo-Terminal des Flughafens Zanderij. Dort werden sie in eine KLM-Maschine eingeladen, in Amsterdam Schiphol dann in einem Tresor zwischengelagert und auf den Weiterflug zum Endziel geschickt.
Wo dieses Endziel ist, das kann man den staatlichen Exportdaten entnehmen: In fast allen Fällen lautet es Dubai. 

Almas Tower, Dubai

Das Dubai Multi Commodity Center (DMCC) hat einen Slogan: "Where the World does Business". Es liegt in einem Wolkenkratzer, von dessen oberen Etagen aus man die berühmte Palm Island sehen kann, und ist eines der wichtigsten Zentren der Welt für den Handel mit Gold, Diamanten, Metallen und anderen Rohstoffen. Nahezu alle wichtigen Raffinerien, Goldhändler, Broker unterhalten in diesem Turm ein Büro, 20 bis 30 Prozent allen Goldes auf der Welt durchläuft irgendwann das DMCC. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind der drittgrößte Goldexporteur der Welt – beachtlich, denn sie fördern selbst nicht ein Gramm.

Hinter dem Aufstieg Dubais zum weltweiten Goldumschlagplatz steht vor allem ein Mann: Munir Al Kaloti, Kaufmann aus Jordanien. 1976 begann er, Gold auf dem Souq in Dubai zu handeln, einem Markt mit Hunderten kleinen Läden für Gold, Schmuck und Diamanten. Dubai war damals schon ein Handelsplatz für Gold aus Afrika und dem Nahen Osten, aber nur in kleinem Umfang. Kaloti änderte das, als er 1989 begann, Altgold aufzukaufen. Er ließ es einschmelzen, verfeinern und verkaufte es weiter, in den 2000er-Jahren wurde sein Unternehmen zu einem der größten Raffineure der Welt. Heute gibt es seine alte Firma Kaloti Precious Metals nach einer Reihe internationaler Skandale nicht mehr, aber die Eigner von damals sind weiter im Geschäft.

Spätestens zu Beginn der 2010er-Jahre war Dubai ein weltweites Zentrum für den Großhandel mit Gold geworden. Man kam hier mit weniger Bürokratie aus als an anderen Handelsplätzen. Anderswo werden bisweilen seitenlange Nachweise über die Herkunft der einzelnen Goldlieferungen erfordert, in Dubai reichten zeitweise zwei DIN-A4-Seiten Erklärung aus.

Wobei der lockere Umgang mit der Bürokratie zugleich immer wieder den Verdacht weckte, dass nicht alles mit rechten Dingen zuging. Es gab GerichtsverfahrenUntersuchungen internationaler BehördenSanktionen der Financial Action Task Force (FATF) in Paris. Aus afrikanischen Ländern sollen 2022 laut der Schweizer NGO Swissaid rund 435 Tonnen Gold nach Dubai geschmuggelt worden sein. Eine Auswertung von Zolldaten für das Carnegie Endowment im Jahr 2016 ergab, dass 46 Prozent aller Goldimporte nach Dubai aus Konfliktregionen oder Hochrisikogebieten stammen sollten. "Das ist eine Whitewashing-Operation", sagt Marcena Hunter von der Global Initiative Against Transnational Organized Crime, einer NGO in Genf. "Dubai wäscht das Gold für andere Länder."

Eine besonders interessante Innovation, die den Weg des Goldes verschleiern half, ist die sogenannte "Jungle Jewellery" – ein Geschäft, an dem das alte Kaloti-Unternehmen offenbar seinen Anteil hatte. 2016 zum Beispiel wurde viel Gold aus dem indonesischen Ostjava angeboten wurde, aber alle Welt wusste, dass dort Kinderarbeit und der Einsatz von giftigem Quecksilber an der Tagesordnung waren. Schwierig zu verkaufen. Tonnen dieses Goldes gelangten schließlich nach Dubai – aber über einen interessanten Umweg.

Spencer Campbell, ein ehemaliger Regionalmanager bei Kaloti, erklärt die Route, für die er damals verantwortlich war: Das Minengold wurde erst in die indonesische Stadt Surabaya geliefert und dort zu Schmuck geschmiedet, 200 bis 300 Gramm pro Stück. Campbell sagt, dass es nicht einmal besonders überzeugend aussehen musste. Ein Goldklumpen an einer Kette reichte. Es wurde nach Singapur oder Thailand geschickt, als "Altgold aus der Schmuckindustrie" eingeschmolzen und dann nach Dubai weiterversandt. Und von dort, sagt Campbell, sei es auch in andere Länder geschickt worden, zum Beispiel in die Schweiz. Er spricht von Lieferungen in Tonnenstärke, unter der Bezeichnung: "Recyclinggold".

Diese Masche kommt heute an vielen Orten der Welt zum Einsatz, auch in Suriname. Im brasilianischen Viertel von Paramaribo kann man Juweliere treffen, die fast nur das tun: Goldklumpen aus dem Regenwald zu Ketten schmelzen. Von dort findet das Gold dann viele Wege. Wenn man genau hinschaut, fällt immer wieder auf, wie undurchsichtig dieses ganze Geschäft doch ist: 2020 etwa registrierte der Zoll in Suriname, dass 7.518 Kilogramm Gold nach Dubai geschickt wurden. Der Zoll in Dubai registrierte bei der Ankunft aber 14.017 Kilogramm, fast doppelt so viel. Wie viel von dieser Differenz nun Schmuggel, "Jungle Jewellery" oder Fehldeklaration zum Zweck der Steuerersparnis ist, lässt sich nicht nachvollziehen – transparent ist der Weg dieses Goldes jedenfalls nicht.

Nachfragen sind unerwünscht. Die ZEIT hat die Raffinerie MTMO – Nachfolgerin des Kaloti-Imperiums in Dubai – gefragt, wie sie denn mit solchen Lieferkettenrisiken umgehe. Könne es sein, dass illegal gefördertes und geschmuggeltes Gold in der Lieferkette aus Suriname steckt? Wie schütze sich die Firma davor?


Oberfeldwebel Maherilaza Rakotdadralambo im Camp. Bild von Gerno Odang/DIE ZEIT. Französisch-Guayana.

Die Frage drängt sich ja auf, schon weil die Geschäftsbeziehungen zwischen Suriname und Dubai so eng sind. Die Antwort kam schnell: "Die von Ihnen gezogenen Schlussfolgerungen scheinen auf wenig mehr als auf unbelegten und veralteten Spekulationen zu beruhen", schreibt der CEO Osama M. al-Kaloti umgehend zurück und schiebt eine Drohung nach. "Es versteht sich von selbst, dass wir im Falle der Veröffentlichung von verleumderischen Äußerungen durch Sie alle verfügbaren Maßnahmen ergreifen werden, um den Ruf von MTM&O Gold Refinery DMCC und ihre Rechte im Allgemeinen zu schützen." Sein Unternehme äußere sich nicht zu Details seiner Handelsgeschäfte. Es werde vom Wirtschaftsministerium in Dubai überwacht und lasse regelmäßig mehrere Audits über sich ergehen.

Aus Dubai werden zum Beispiel China, Indien und die Türkei direkt mit Gold beliefert. Deutschland, Frankreich oder die USA stehen nicht auf der Kundenliste. Scheideanstalten, Unternehmen und Notenbanken aus diesen Ländern kaufen nicht in Dubai ein, weil es Zweifel daran gibt, dass die Herkunft des Goldes sorgfältig genug geprüft wird. Wenn Gold in westlichen Ländern wirklich marktfähig werden soll, muss es vorher in einer Goldraffinerie, die eine einwandfreie Reputation genießt, geprüft und neu eingeschmolzen werden. Das sind in aller Regel diejenigen, die von der London Bullion Market Association (LBMA) zertifiziert worden sind: einer Art Eigenaufsichtsbehörde der Goldbranche in der britischen Hauptstadt, die eigene Prüfer in der Welt herumschickt, und deren Standards strenger sein sollen als die meisten Gesetze. Die Londoner Auditoren fordern Herkunftsnachweise, das Einhalten von Arbeitsrechten und Umweltauflagen ein. Keine der Raffinerien in Dubai ist LBMA-zertifiziert.

Aber von Dubai aus unternimmt das Gold häufig erstaunliche Reisen. Es sind schon Fälle aufgedeckt worden, in denen es von dort aus weiter in ein unverdächtiges Produktionsland geschickt wurde – Ghana oder Südafrika zum Beispiel –, um dann von dort in irgendwelche Abnehmerländer exportiert und raffiniert zu werden. Man kann Goldhändler in Dubai treffen, die ganz offen über solche Praktiken berichten – Oman und Bahrain seien bis heute beliebte Transitstationen für diese Art des Goldwasch-Schmuggels, erfährt man dann zum Beispiel. Aber namentlich in der Zeitung erscheinen wollen diese Händler dann auf keinen Fall.

Und es gibt noch einen direkteren Weg, der mitten nach Europa führt: in die Schweiz. In der Schweizer Importstatistik kann man lesen: 2023 wurden stolze 151 Tonnen Gold aus Dubai eingeführt, mehr als doppelt so viel wie 2022 und 2021. 

Mendrisio, Schweiz

An einem Spätsommertag in den Südalpen steigt Christoph Wild steinerne Stufen hinauf, die in den Monte Generoso eingelassen sind. So heißt der Hausberg von Mendrisio, ein Ort im Tessin auf halbem Weg zwischen Lugano und Como. Wild ist ein schlanker, grauhaariger Mann, und er sieht aus, wie man sich einen Schweizer Banker vorstellt. Er öffnet das hölzerne Tor zu seinem Wochenendhaus: Massivholztisch, Weinkeller, Ausblick über ein grünes Tal voller Siebzigerjahre-Bausünden.

Die Gegend hier ist das industrielle Herz des Tessin, und das weltweite Herz der Goldraffinage. Und Christoph Wild einer der wichtigsten Leute in diesem Geschäft. Früher hat er die Goldraffinerie Argor-Heraeus geführt, die zum deutschen Familienkonzern Heraeus gehört, heute ist er Präsident der Schweizerischen Vereinigung der Edelmetallfabrikanten.

Im Umkreis von nur wenigen Kilometern stehen hier drei der größten Raffinerien der Welt: Valcambi, MKS PAMP, Argor-Heraeus. Hochgradig gesicherte Industrieanlagen, in denen das angelieferte Gold mit Chemie und Elektrolyse in seine reinstmögliche Form gebracht wird. 99,999 Prozent müssen es sein, damit sogar Nationalbanken dieses Gold akzeptieren. Arbeiter in Hitzeschutzkleidung gießen flüssiges Gold in Barrenformen. Bevor das Gold vollständig abkühlt, kommt ein Stempel drauf: Reinheit, Name des Raffineriebetriebs, Seriennummer. Dann gehen die Barren an den Endabnehmer weiter, was eine Bank, ein Juwelier, ein Industrieunternehmen sein mag.

Alle Tessiner Raffinerien sind von der LBMA in London zertifiziert, was diesen Veredelungsschritt besonders wertvoll macht. Gold, das hier eingeschmolzen worden ist, gilt von nun an als überall marktfähig. Wie viel von der weltweiten Goldproduktion die schweizerischen Anlagen durchläuft, ist erstaunlich unklar. 50 bis 70 Prozent lautet eine Schätzung der Umweltschutzorganisation WWF. Der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth, Experte in Sachen Schweizer Goldmarkt, rechnet mit 50 Prozent. 34 Prozent, behauptet das Schweizer Wirtschaftsministerium. 13 Prozent des Minengoldes, teilt die Industrie selbst mit. Man merkt, dass es Unklarheiten im Schweizer Goldgeschäft gibt.

Der Industrieverband, dem Wild vorsteht, vertritt alle Schweizer Goldraffinerien – mit einer Ausnahme: Valcambi. Das Tessiner Unternehmen war 1978 noch ein Gründungsmitglied der Vereinigung gewesen, stieg aber im Oktober 2023 wegen "unvereinbaren Differenzen" aus. Es ging da um die Herkunft von Gold. Valcambi ist heute die einzige Schweizer Raffinerie, die aus Dubai importiert.

Vor wenigen Jahren noch interessierte sich kaum jemand für die Herkunft von Gold. Doch inzwischen haben NGOs und Medien immer mehr Probleme öffentlich gemacht: Raffinerien, Juweliere und Goldverarbeiter im Westen, die von Bürgerkriegsparteien im Kongo oder aus illegalen Goldminen in Peru beliefert wurden. "Sorgfaltspflichten" und "Lieferkettenverantwortung" sind politische Themen geworden.

Bei den Schweizer Goldraffinerien führte das zu Diskussionen und einigen Besserungen, doch die ganz große Transparenz zog auch nicht ein. Als die NGO Gesellschaft für Bedrohte Völker 2019 beim Schweizer Zoll in Erfahrung bringen wollte, woher denn nun all die Goldlieferungen in die Schweiz stammen, verhinderte die Vereinigung der Edelmetallfabrikenten das vor Gericht. Das Bundesgericht urteilte im Sinne der Raffineriebetreiber: Die Lieferkette des Goldes unterliege dem Steuergeheimnis.

Der Verbandschef Christoph Wild sagt dazu: "Falsch verstandene Transparenz kann enormen Schaden anrichten. In anderen Branchen sei es auch nicht üblich, seine Geschäftspartner so detailliert offenzulegen. "Wir denken, die Entscheidung hätte eine Präzedenz geschaffen, die schlecht für die Schweizer Industrie generell gewesen wäre." Wild betont aber, dass die Industrie sich Mühe gebe, kein schmutziges Gold anzunehmen, dass das "aber auch nicht immer gelingt". Deshalb habe die Vereinigung seither einer Gesetzesänderung zugestimmt, die immerhin dem Zoll mehr Handlungsfreiheit bei der Kontrolle der Raffineriebetreiber gibt.


Bild von Gerno Odang/DIE ZEIT. Französisch-Guayana.

Dass Valcambi, trotz aller Zweifel, weiterhin Gold aus Dubai bezieht, dazu möchte sich Wild nicht äußern: Sein Verband vertrete dieses Unternehmen schließlich nicht mehr. Aber der Chef von Valcambi, Michael Mesaric, antwortet auf Anfragen immerhin per E-Mail. Wie könne es sein, dass Valcambi Gold aus Dubai einführt, obwohl sämtliche andere Raffinerien im Land das ablehnen? "Valcambi akzeptiert in Dubai hergestelltes Gold nur von wenigen zugelassenen Raffinerien, die die erweiterte Sorgfaltspflicht erfüllt haben und in der Lage sind, die Herkunft ihrer Rohstoffe nachzuverfolgen und offenzulegen", teilt der Chef als Antwort mit.

Aber es klingt doch gewagt: dass ein Unternehmen sich zutraut, ausschließlich sauberes Gold aus Dubai zu importieren, obwohl sogar die Behörden vor Ort ihre Zweifel haben. Die Financial Intelligence Unit der Vereinten Arabischen Emirate schreibt in einem Bericht im Oktober 2022: Edelmetallhändler in Dubai seien "möglicherweise involviert in Goldschmuggel aus Konfliktregionen (...). Von dort aus, gelangt Gold ins Land, wird hier verarbeitet und in westeuropäische Länder exportiert." Auch das Schweizer Wirtschaftsministerium warnte 2021 in einem Brief an die Schweizer Raffinerien, den die Nachrichtenagentur Bloomberg einsehen konnte, vor Gold aus den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Wie schnell die Spur des Goldes für die Nachprüfer verloren gehen kann, lässt sich einer Studie entnehmen, die 2020 von den NGOs Swissaid und Global Witness veröffentlicht wurde. Demnach importierte Valcambi zwischen 2016 und 2020 Dutzende Tonnen Gold von Kaloti Dubai und von der heutigen Firma MTM&O. Der Vorwurf der Autoren lautete, dass da Gold unklaren Ursprungs in der Schweiz gewaschen werde – und anschließend mit Qualitätssiegeln versehen. Der Report schlug Wellen, Medien in ganz Europa berichteten, jeder Akteur im Goldgeschäft kennt diese Studie.

Doch als der Schweizer Zoll Valcambi schließlich prüfte, ergab sich eine Komplikation: Die Raffinerie hatte das Gold nicht direkt in Dubai gekauft, sondern von einem Händler in London namens Trust One. Die Vizepräsidentin der Zollbehörde schrieb dann damals als Prüfungsergebnis, dass Trust One durchaus Gold von MTM&O bezogen habe. Es habe aber zollrechtlich seine Richtigkeit, dass der Import so gelaufen sei. Valcambi habe von Rechts wegen nur Trader One überprüfen müssen, nicht auch dessen Lieferanten.

Und Valcambi schreibt auf Anfrage, dass man den Londoner Händler für okay befunden habe. Dieses Unternehmen werde schließlich in England von den Behörden beaufsichtigt und sei niemals irgendwelcher unzulässigen Taten beschuldigt worden. Im britischen Handelsregister kann man die Eigner von Trust One nachsehen: Investmentgesellschaften, auf deren Gründungsdokumenten die Namen von vier Männern auftauchen: Munir al-Kaloti, Tarek al-Mdaka, Monzer Medakka und Osama al-Kaloti. Die Namen der Männer, die auch hinter MTM&O stehen. Tarek El-Mdaka hatte seinerzeit auch die Gründungsdokumente des Kaloti Suriname Mint House in Paramaribo unterschrieben.

"Wir arbeiten seit 2020 nicht mehr mit der Marke MTM&O", schreibt Valcambi auf Nachfrage. Das Unternehmen teilt auch mit, dass "Gold (...) in jedem Falle immer von einem "Statement of Conformance" (SoC) begleitet" sei, "ausgestellt von der Barren herstellenden Raffinerie. Alle SoCs wurden und werden jeweils von Valcambi überprüft." So ein Statement of Conformance, ausgestellt von der Raffinerie, ist allerdings erstmals nichts anderes als eine Selbstauskunft. Und mit Selbstauskünften ist es so eine Sache in der Goldbranche. In Paramaribo hatte ein Goldexporteur namens Conrad Issa das Statement vorgezeigt, das er für seinen Käufer in Dubai ausfüllen musste: eine Versicherung, dass das Gold aus "nicht krimineller Herkunft" stamme. Issa wiederum verlangte dieselbe Versicherung von seinen Zulieferern. Eine weitere Prüfung findet dort nicht statt und ist nach dem Gesetz in Suriname auch nicht vorgesehen. "Wir haben die unterschriebenen Dokumente", sagt Issa. Zwischen Quelle, Käufer und Exporteur fehle ihm die Einsicht. "We just cover our ass", sagt er.

Bei Valcambi weiß man das auch selbst: "Jede Auskunft, die nicht verifiziert wird, birgt ein Risiko, weil es sich um eine Selbstdeklaration handelt", schreibt ihr CEO, Michael Mesaric, auf Anfrage in einer Mail. Valcambi prüfe deshalb auch vor Ort. "Meines Wissens macht das niemand außer Valcambi."

Ob man dem Gold vor Ort wohl ansieht, woher es wirklich stammt? Jeder in der Branche weiß, wie schwierig bis unmöglich es ist, die Lieferketten genau nachzuvollziehen. Nicht mal die strenge Londoner LBMA hat volles Vertrauen in die Praktiken ihrer Branche: "54 Prozent des Materials unserer Raffineure kommt von Recycling", sagt Neil Darby, Chief Technical Officer der Organisation. Dabei wird aber laut der Branchenorganisation World Gold Council nur rund ein Drittel der jährlichen Produktion wirklich recyclet. Wenn 90 Prozent allen Goldes durch eine LBMA-Raffinerie geht, gehen die Zahlen nicht auf.

Auf Nachfrage bestätigt Darby, dass nicht alles seine Richtigkeit haben kann: "20 Prozent allen Goldes weltweit ist aus Kleinbergbau, und repräsentiert nur 2 Prozent des Goldes, das durch LBMA-zertifizierte Raffinerien läuft", sagt er. Wo ist der Rest? "Gold findet einen Weg", sagt Darby. Es scheint, dass der Trick mit der "Jungle Jewellery" auch im industriellen Ausmaß funktioniert. "Recycling" ist offenbar kein besonders eng gefasster Begriff: Laut der LBMA-Definition ist Recycling "alles, was goldhaltig ist und nicht direkt aus einer Mine in seinem ersten Goldlebenszyklus stammt." 

Hannover, Deutschland

Mathias Baier ist der Leiter der Deksor, einer Abkürzung für den etwas umständlichen Behördennamen "Deutsche Kontrollstelle EU-Sorgfaltspflichten in Rohstofflieferketten". Deksor untersteht dem Wirtschaftsministerium und wurde eingerichtet, weil Unternehmen in der EU seit 2021 strenge Auflagen erfüllen müssen, wenn sie Gold und andere kritische Mineralien importieren. Baiers Leute sollen das hier überwachen.

Baier hat selbst in der Bergbaubranche gearbeitet. Er kennt sich in Goldminen aus, war im Kongo, in Ostafrika, weiß selbst um die Schmuggelrouten. Im Interview drückt er sich so vorsichtig aus, wie man das als Behördenchef tut: "In den meisten Fällen können wir das Gold nicht bis zum Ursprungsland zurückverfolgen", sagt er. Es sei zollrechtlich nicht vorgesehen, die tatsächliche Herkunft zu vermerken, sondern nur das Land der letzten Veredelung. "Momentan endet die Nachverfolgung oft schon in der Schweiz."Und Deutschland importiert 70 Prozent seines Goldes aus der Schweiz. "Solange die Schweiz Gold aus Dubai importiert – und wir kennen die Wege von geschmuggeltem Gold dorthin – besteht grundsätzlich ein Konfliktrisiko für deutsche Unternehmen."


Bild von Gerno Odang/DIE ZEIT. Französisch-Guayana.

Und die Überprüfungen vor Ort durch die Auditoren, die die Unternehmen selbst losschicken oder die von der LBMA in London entsandt sind? Werden da nicht sämtliche Informationen über die gesamte Lieferkette erhoben? "Entscheidend sind detaillierte Auditberichte, und ob wir sie einsehen können", antwortet Baier. Doch seine Behörde dürfe das gar nicht. "Ausländische Raffinerien können selbst entscheiden, ob sie Auditberichte mit uns teilen oder nicht", sagt der Behördenchef.

Bleibt die Frage, wo ist das Gold aus dem Dschungelcamp in Französisch-Guyana gelandet? Wenn man allen Abzweigungen folgt, entlang der Schmuggelrouten, der Zwischenschmelzen, der Raffineure, muss man sagen: Man hat seine Spur erfolgreich verwischt. Es dürfte irgendwo im legalen Markt aufgegangen sein.

Was gleichzeitig heißt, dass niemand ausschließen kann, dass es nicht in einem Ehering steckt, den dann jemand bei einem Juwelier in Frankfurt kauft, oder dass es als Barren bei der Deutschen Bundesbank in Frankfurt endet. Wer in dieser Branche sauberes Gold verspricht, verlässt sich – bis auf jene wenigen Fälle, in denen ganz außergewöhnliche Anstrengungen der Herkunftssicherung unternommen wurden – auf Dokumente von Raffinerien, die Behörden nicht einsehen dürfen. Die wiederum auf Papieren basieren, die von Exporteuren in Ländern ohne Lieferkettengesetze ausgestellt wurden. Die auf Versprechen von Käufern basieren, die der Form halber abgegeben werden, um sich abzusichern. Auf Behauptungen von Exporteuren und Behörden in Staaten, deren Haupteinnahme der Goldexport ist und deren höchste Beamte und reichste Geschäftsleute darin verstrickt sind.

"Niemand kann mit absoluter Sicherheit sagen, woher genau das nach Deutschland importierte Gold kommt", sagt Matthias Baier, "weder die Importeure noch die Deksor".


Der Autor ist für diesen Report zehn Monate lang der internationalen Goldroute gefolgt. Seine ­Recherchen wurden vom Rainforest Investigations Network Fund des Pulitzer Center in Washington, D. C., gefördert. Die Stipendiengeber hatten keinen ­Einfluss auf Verlauf und Ergebnis der Recherche oder auf die redaktionelle Betreuung, Bearbeitung und Umsetzung des Themas. Weitere Informationen zu Stipendien finden Sie unter: www.zeit.de/recherchestipendienEine kürzere Version dieses Artikels erschien in der ZEIT 49/2024.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Schweiz habe 2023 114 Tonnen Gold aus Dubai eingeführt - tatsächlich sind es 151 Tonnen. Wir haben das korrigiert.

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